Mittwoch

Nature takes, nature gives


Namaste! Die Natur hat uns so viel zu sagen. Gleich einem stillen, unglaublich geduldigen Lehrmeister führt sie uns Weisheiten vor Augen. Erkennen müssen wir sie jedoch selbst. 

Bei meinem Ausflug auf den Dreisessel habe ich einiges gelernt:
1. Nature takes, nature gives - es liegt nicht in unserer Hand, also gib dich hin!
2. Spuren der Zerstörung sind nicht hässlich und erzählen gleich Narben von überstandenen Widrigkeiten.




Mikrokosmos = Makrokosmos



Die Sonne spricht zu uns mit Licht,

Mit Duft und Farbe spricht die Blume,

Mit Wolken, Schnee und Regen spricht

Die Luft.  Es lebt im Heiligtume

Der Welt ein unstillbarer Drang,

Der Dinge Stummheit zu durchbrechen,

In Wort, Gebärde, Farbe, Klang

 Nach Sprache sehnt sich alles Leben,

In Wort und Zahl, in Farbe, Linie, Ton

Beschwört sie unser dumpfes Streben

Und baut des Sinnes immer höhern Thron.

(Hermann Hesse)


Schöner als Hermann Hesse, der mir schon als Jugendliche aus der Seele sprach, kann ich es gar nicht formulieren. 
Für Paracelsus ist "Mikrokosmos (Mensch) gleich Makrokosmos (Universum)", Goethe brachte das Analogiegesetz so auf den Punkt: "Die ganze Welt ist nur ein Gleichnis."
Deswegen bin ich so dankbar, wenn ich die Sprache der Natur nicht nur als unendlich schön empfinde, sondern wenn ich ihre Botschaft mit Herz und Verstand verstehe. Wer könnte ein besserer Lehrmeister sein, als die alte Dame Natur oder der graue Herr namens Universum? Leider hören wir ihnen viel zu selten zu. Heute habe ich zugehört, am Dreisessel pfiff mir der Wind um die Ohren. Doch der flüsterte mir nichts. Mir wurde anhand des Bildes, das sich mir dort oben bot, einiges klar.

1. Nature takes, nature gives

Vor vielen Jahren zerstörte eine Borkenkäferinvasion am Dreisessel die Baumpopulation. Man entschloss sich, einen Großteil der Natur selbst zu überlassen. Wie nach einem Waldbrand ragen kahle Baumstämme in die Höhe, andere morsche Stämme warfen Stürme um, die riesigen Wurzeln ragen mannshoch in den Himmel. Und dazwischen herrscht das blühende Leben. Kleine Nadelbäume wachsen zwischen den alten Stämmen, Heidelbeer-Sträucher treiben aus.

Die Botschaft war für mich ganz klar: Nicht wir Menschen entscheiden, was auf diesem Planeten passiert. Die Natur hat ihre eigenen Regeln. Wir pfuschen höchstens dazwischen. Und so gibt es auch einen Weg für mich. Doch Vertrauen haben, sich hingeben fällt so schwer.
Im Yoga spricht man von Ishvara pranidhana. Die Hingabe ist im Yoga-Sutra eines der fünf Niyamas, Verhaltensregeln sich selbst gegenüber, des achtgliedrigen Pfades. Zusammen mit Tapas (Disziplin, Ausdauer) und Svadhyaya (Selbstreflexion) ist Hingabe ein Teil des Kriya Yoga. Für den Autor des Yoga-Sutra, Patanjali, stellt Ishvara pranidhana eine wirksame Methode dar, die ständige Unruhe des Geistes aufzulösen, und damit einen Weg zu Samadhi, einem Zustand der tiefen Verbundenheit. 
Was dabei passiert, durfte ich heute am eigenen Leib erfahren. Die Hingabe löst unseren Blickwinkel vom „Ich“. Es löst uns von all den Belangen und Ansichten, die oftmals die Quelle ständiger Ablenkung sind. Ich merke das dann daran, dass ich mich vom großen Ganzen abgeschnitten fühle. Doch wenn wir uns auf die Heiligkeit des Seins konzentrieren, verbinden wir uns mit unserem wahren Selbst.  Den Anfang nimmt diese Verbundenheit meist über eine Verbindungsaufnahme zum Universum. Wer gerne Bergwandern geht, weiß, was ich meine. Am Gipfelkreuz angekommen, nimmt uns die meist von ganz allein gefangen.

Also, Lektion gelernt: Ich habe nicht alles in der Hand. Ich kann mein Bestes geben, aber ich bin nicht allmächtig. Deswegen: Den Zeitpunkt erkennen, ab dem man es nur noch abgeben und das Ergebnis annehmen kann.


2. Narben sind nicht hässlich, sondern zeugen von Entwicklung

Meiner Meinung nach hätte man sich nichts besseres überlegen können, als die zerstörten Bäume am Berg zu lassen. Klar, es jagt einem schon erst einmal einen Schauer über den Rücken, die Kargkeit zu sehen, die überstandenen Schmerz ausstrahlt. Doch aus dieser Waldruine erhebt sich jetzt eine neue Welt. Es grünt und sprießt zwischen den morschen Stämmen und Wurzeln. Das neue Leben entsteht neben dem vergangenen. In unserer ordnungswütigen, perfektionistischen Gesellschaft muss immer alles nur im Ansatz Kaputte weggeräumt oder so repariert werden, dass man den Schaden bitteschön nicht mal mehr erahnen kann.  Doch genau diese Spuren der Vergangenheit machen den Dreisessel so besonders und faszinierend. Die Energie, wie sich neues Leben entwickelt, ist förmlich spürbar. Und die kargen Stämme oder hochaufragenden Wurzeln stören das Bild keineswegs, sondern sind ein Teil dieser vor Kraft strotzenden Atmosphäre.

Lektion: Auch meine inneren Narben sind nicht hässlich, sie gehören zu mir und meiner Geschichte. Sie zeugen von meiner Entwicklung und sind Zeichen meiner Stärke. Auch wenn in die Welt in mir einmal völlig zerstört wurde oder in sich zusammengefallen ist, muss ich den Schutt nicht bis auf den letzten Krümel verräumen. Das Leben zwischen den Ruinen geht nicht nur weiter, sondern ist schön!

1 Kommentar:

  1. Danke für deine Worte. Sie geben mir etwas Kraft in meinem schwierigen Prozess.
    Ja, die Natur ist ein wunderbarer Lehrmeister :)

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