Donnerstag

Das Disneyland des Yoga





Namaste! Ihr habt mittlerweile viel über meine Rishikesh-Reise gelesen. Jetzt bringt auch das Deutsche Yogaforum des BDY - Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland e.V. einen Artikel dazu von mir. Eine Nachlese, die auch die Schattenseiten des boomenden Geschäfts mit Yoga und die weltweite "Yogalehrer-Fabrik" Yoga Alliance kritisch betrachtet.



Rishikesh hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zur heimlichen Welthauptstadt des Yoga gemausert. Die mit 70.000 Einwohnern für indische Verhältnisse sehr kleine Stadt zieht jährlich Tausende Ganges-Pilger und noch einmal so viele Yoga-Interessierte an. Sie alle sind auf der Suche nach dem besonderen Spirit am Fuße des Himalaya – den die Kleinstadt im Norden Indiens durchaus versprüht. Vor allem die Yoga-Jünger hat man als geldbringendes Klientel entdeckt. Das Streben nach Geschäft und Geld regiert hier leider mittlerweile fast mehr als innere Einkehr und der Yoga-Gedanke der Einheit von Körper, Geist und Atem.


Wer aus Europa, USA, Südamerika oder Australien nach Rishikesh im Bundesstaat Uttarakhand kommt, tut es zu 99 Prozent wegen Yoga. Einmal in der heimlichen Yoga-Welthauptstadt gewesen zu sein gehört für viele Yogis genauso auf die To-Do-Liste wie für Hindus das obligatorische Bad im Ganges, dem heiligen Fluss. Man kann sich einer Ergriffenheit nicht erwehren, die einen erfasst, wenn man zum ersten Mal die Mantras über die Stadt schallen hört. Wenn am Ganges die Sonne untergeht, verwandelt sich der Fluss in einen Strom aus Gebeten und Gesängen. Mönche und Pilger singen zu Tausenden Mantras zu Ehren der heiligen Mutter Ganga, jeden Tag zur gleichen Zeit quer durch ganz Indien. Aarti heißt diese Zeremonie, bei der Hindus das heilige Bad im Fluss nehmen oder Blumen opfern, Feuer werden entzündet. Auch über Rishikesh liegt unüberhörbar in der Abenddämmerung dieser Klang, verleiht der Stadt 250 Kilometer nordöstlich von Delhi eine magische Atmosphäre. Sie trägt die vielen Yoga-Touristen zu ihren Abendklassen. In Rishikesh, das sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Las Vegas des Yoga mit rund 1.000 Yoga-Touristen täglich entwickelt hat, meditieren sogar die Kühe, die bekanntlich in Indien heilig sind. Gerne bleiben sie mitten auf der Lakshman Jhula Brücke stehen, die ohnehin nur zwei Meter breit ist, und sinieren – Rollerfahrer hupen, Fußgänger drängen vorbei, Affen klauen Kindern ihr Eis oder Rucksack-Touristen Chipstüten. Tempelglocken bimmeln vom Laksman Tempel auf die wimmelnde Masse herunter.

Niemand weiß genau, wieviele Yogaschulen oder Ashrams es in Rishikesh eigentlich gibt. An jeder Ecke werben Schilder für Unterrichtsstunden in verschiedenen Übungs- oder Meditationsstilen, für Yogalehrer-Ausbildungen, Ayurveda-Kochkurse oder Wiedergeburts-Workshops. Straßenverkäufer bieten Gebetsketten, mit Om-Zeichen bedruckte Hosen, kleine Buddhas an – sie säumen den Weg bis zur zweiten Brücke Ram Jhula. Das Geschäft mit Yoga boomt. Zwischendrin sitzen verstümmelte Obdachlose, Teeverkäufer oder die an ihren orangefarbenen Kleider erkennbaren Bettelmönche. Unweit der Ram Jhula befindet sich das Viertel Swarga Ashram, wo sich die meisten Ashrams und an dessen Ende auch das bekannteste, aber längst still gelegte und verlassene Maharishi Mahesh Yogi Ashram befinden. Es gelang zur Berühmtheit, weil hier in den 1960er Jahren die Beatles einige Zeit verbrachten und Rishikesh den Schub gaben, zur Welthauptstadt des Yoga zu werden. Touristen müssen umgerechnet 10 Euro zahlen, um die halb verfallenen Hütten besichtigen zu dürfen – Einheimische zahlen 1,50 Euro.



Viele kommen wegen einer Yogalehrer-Ausbildung nach Rishikesh. Nicht nur alteingesessene Ashrams mit langer Tradition wie das Sivananda oder das Parmarth Niketan Ashram bieten Yoga Teacher Trainings am laufenden Band an. An jeder zweiten Hausmauer werben Anbieter für Ausbildungs-Kurse. In vier Wochen zum Yogalehrer. Als Qualitätsmerkmal führen sie alle an: Mit Yoga Alliance RYT-Abschluss - was jedoch nur heißt: bei der Yoga Alliance registrierter Yoga Lehrer, eine Zertifizierung ist das nicht, darauf macht die Alliance selbst auf ihrer Homepage aufmerksam. „Die Yoga Alliance produziert Yogalehrer wie eine Fabrik, sie ist ein Marketinginstrument und macht den Yoga zum Business. Doch wir haben Verantwortung für den Yoga und auch diese spirituelle Stadt. Viele missbrauchen den Yoga jedoch nur für ihr Geschäft“, kritisiert Yogi Ji, der das kleine Mahatma Yoga Ashram betreibt. Die Yoga Alliance schmückt sich selbst damit, dass ihr nach eigenen Angaben mittlerweile 81.000 Yoga-Lehrer und 5.000 Schulen weltweit angehören – und jeden Monat kommen Dutzende Registriere hinzu. Sie wurde vor 20 Jahren in den USA gegründet und bezeichnet sich selbst als den größten internationalen Non-Profit-Verband der Yoga-Community. Was man der Yoga Alliance zugute halten kann: Sie hat sich zumindest auf ihrer Homepage auf die Fahnen geschrieben, die „Würde und Reinheit des Yoga“ zu bewahren. Wer sich dort registrieren will, muss gewisse Standards anerkennen – wie etwa bei der Ausbildung eine bestimmte Stundenanzahl in den verschiedenen Bereichen des Yoga zu lehren.

Das Himalaya-Gebirge erhebt sich gleich hinter Rishikesh – unvergesslich ist eine Wanderung, die bei Sonnenaufgang beim Kunjapuri Tempel, dem Tempel der Frauen, startet. Vier Stunden geht es bergab durch kleine Dörfer, wo die Bauern noch mit Ochsen vor den Pflug gespannt die Feldarbeit verrichten. Frauen balancieren riesige Ast- und Blätterpakete auf dem Kopf. Kinder stecken neugierig den Kopf aus blau bemalten Haustüren. Eine Pause an einem Wasserfall, weiter geht es bergab. Eine andere beliebte Trekking-Tagestour führt von Rishikesh aus zu einer Höhle, die zur Pilgerstätte wurde, nachdem hier ein Bettelmönch elf Jahre am Stück meditiert haben soll. Spiritualität liegt in der Luft. Aber auch hier verdient man so viel es geht an den westlichen Yoga-Touristen. Buden säumen die letzten hundert Meter bis zur Höhle, hier wird alles verkauft, was ein Yoga-Pilger braucht: Neben Essen und Trinken natürlich Gebetsketten, Tücher usw. „In der Hauptsaison kommen hier täglich mehrere Hundert Touristen hoch“, sagt Wanderführer Negi. Der 29-Jährige, der selbst aus einem kleinen Himalaya-Dorf stammt, verdient seinen Lebensunterhalt mit Wander- und Raftingtouren. Denn auch Rafting ist eine weitere willkommene Abwechslung für die Yoga-Touristen. In der Hochsaison sind täglich bis zu 800 Boote auf dem Ganges unterwegs.

„Vor 15 Jahren, als ich hierher kam, war es noch ein ruhiger, spiritueller Ort. Ich betreibe das Mahatma Yoga Ashram hier seit 6 Jahren. Jetzt ist es Zeit, von Rishikesh wegzugehen. Ich überlege, mit dem ganzen Ashram weiter weg zu ziehen, am Ganges stromaufwärts. Ich suche einen ruhigeren, ablegenen Platz. Yoga in Rishikesh ist mittlerweile zu laut, es sollte eine Sache der eigenen Erfahrung in Ruhe sein. Das ist bei den vielen Touristen nicht möglich. Klar, viele kommen, um zu meditieren und sich selbst besser kennenzulernen. Aber für viele ist Yoga zum Abenteuer neben Rafting und Trekking geworden.“

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